ANTON NOTENQUETSCHER AM KLAVIER

Parodistischer Scherz

von
Alexander Moszkowski 1851–1934

Musik von
Moritz Moszkowski 1854–1925

Carl Bechstein zum 70. Geburtstag gewidmet.

Alexander Moszkowski, deutscher Schriftsteller und Satiriker polnisch-jüdischer Abstammung, war der Bruder des Komponisten und Pianisten Moritz Moszkowski. Für ihre gemeinsame Parodie anläßlich Bechsteins Geburtstags diente ihnen die Schülerszene aus Goethes „Faust“ als Vorlage. Alexander steuerte den Text bei, Moritz die musikalischen Parodien, deren Variationsthema auf den Berliner Gassenhauer „Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion“ (1892) von Franz Meißner zurückgeht. Das Werk erschien 1906 bei Simon, Berlin, mit 23 drastisch humorvollen Illustrationen von Philipp Scharwenka (1847–1917), dem Komponisten und Bruder Xaver Schwarwenkas, dessen zeichnerisches Talent nicht weniger beachtlich war als sein musikalisches (Kadenzen zu Haydns Violinkonzert G-dur). Als Vorlage für diese Online-Veröffentlichung diente eine Ausgabe im Berliner Hugo-Steinitz-Verlag, die keine Angabe zum Erscheinungsjahr enthält .

Carl Bechstein (1826–1900) war der Firmengründer der renommierten Klavierfabrik in Berlin, die auch heute noch hochwertige und von Pianisten geschätzte Instrumente herstellt. Bechstein gründete die Firma 1853, im selben Jahr, in dem auch Steinway und Blüthner ihre Klavierwerkstatt eröffneten.


Mephisto (den Kopf zur Tür hereinsteckend)
Ich klopf' und niemand ruft herein?
So tret' ich ungerufen ein;
Der Magier Faust scheint nicht zu Hause,
Versucht gewiß bei Gretchen mein System;
So mach' ich's mir denn hier bequem
In seiner eigenen Forscherklause.

(Blickt umher.)
Veränderung gar mancherlei
Hat Faust in diesem Raum gemacht,
Den alten Hausrat, halb entzwei,
Den hat der Trödler fortgebracht:
Nun steht an dieser Stelle gar
Ein gänzlich neues Mobiliar;
Ich weiß auch, wie das zugegangen:
Seit Faust zu lieben angefangen,
Ward er modern in jeder Weise,
Er kultiviert die feinen Kreise,
Schwärmt jetzt für Künste fabelhaft;
Selbst ein Klavier hat er sich angeschafft.
O Ironie! Faust spielt und komponiert!
Klavier-Romanzen ein ganzes Schock,
Die bald erscheinen bei Bote & Bock,
Hat er schon Gretchen dezidiert!
Dort hängt sein alter Mantel noch;
Der wird wohl bald sein Erdendasein enden,
Eh' er zerfällt, will ich ihn doch
Als Hausrock für mich selbst verwenden.

(Er zieht den Mantel an und setzt die Kappe auf.)
So schlüpfen wir getrost hinein
In diese weichen, weiten Falten!
Käm' jetzt ein Fremder hier herein,
Er könnte mich für Faust wohl halten;
Da würde ich Effekt erzielen,
Extempore ein Kollegium lesen,
Ein wenig den Magister spielen
ist immer Teufelsspaß gewesen.
Horch, horch! Geräusch! Ganz deutlich spür' ich,
Daß einer auf dem Flure streicht,
Ein fahrender Scholast vielleicht;
Da ist er schon, ich bin begierig!

Schüler (tritt auf)
Ich bin allhier erst kurze Zeit
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
den alle mir mit Ehrfurcht nennen.

Mephisto
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr,
Wer seid ihr selbst? Wo kommt ihr her?
Es ist, wenn man Visite macht,
In jedem Fall doch angebracht,
Entweder die Karte hereinzuschicken
Oder sich mündlich auszudrücken;
Von euch noch nicht das mindeste weiß ich.

Schüler
Der ANTON NOTENQUETSCHER, so heiß' ich;
Ich bin ein strebsamer Musikant,
Durchstreifte schon so manches Land
Und weilte bis zum Semester, dem vorigen,
Auf siebzehn verschiedenen Konservatorien.
Ich spielte, das kann ich leidlich erhärten,
Auf fünfundvierzig Prüfungskonzerten,
Ward wenig gelobt und viel verrissen,
Von manchem Direktor hinausgeschmissen,
Obschon ich stets die Tonkunst liebte
Und immer wie besessen übte.

Mephisto
Wollt ihr euch hier um Wohnung bemüh'n?

Schüler
Vorläufig wohn' ich bei Mutter Grün;
Das ist die einzige Frau ohne Frage,
Die mir nicht kündigt alle acht Tage.
Denn wo ich sonst in der Welt logiert',
Ward ich im Umseh'n exmittiert,
Weil alle Nachbarn bei meinem Studieren
Gewöhnlich den Schutzmann herbeizitieren.

Mephisto
Da habt ihr mancherlei erlebt;
Wohl dem, der stets ins Freie strebt!
Seid ihr schon öffentlich aufgetreten?

Schüler
Ein einziges Mal: ich glaube in Cöthen.
Alldort gelang mir's, den stattlichen Haufen
von zwanzig Freibillets zu verkaufen.
Doch macht' ich in jener gesegneten Landschaft
Tags drauf die unangenehme Bekanntschaft
Des dortigen Gefängnisverließes;
Gewerbsmäßiger FALSCHSPIELER sei ich, so hieß es,
Und außerdem, ist so was erhört?
Ich hätte die Abendruhe gestört.

Mephisto
Ihr hattet, das scheint mir ganz evident,
Ein unzureichendes Instrument
In eurem Konzert; wollt ihr Beifall erzielen,
So müßt ihr, das merkt euch, Bechstein spielen:
Da kommt der Klang stets tadellos, –
Selbst wenn man daneben greift, klingt's noch famos.

Schüler
Habt Dank! Mir soll die Einsicht reifen;
Ich bin sehr stark im Danebengreifen,
Ja, ich vergreife mich dann und wann
An Stücken, die ich nicht spielen kann;
Beweis: mein Repertoire-Verzeichnis.

Mephisto
Das Unzulängliche – hier wird's Ereignis.
Ich merke schon seit geraumer Zeit,
Ihr seid nicht ohne Talentlosigkeit
Und habt im Künstlererfolgsbereich
Eine herrliche Zukunft – HINTER euch.
Nur scheint ihr mir, korrekt genommen,
noch nicht vor die rechte Schmiede gekommen;
Euch fehlt noch das Fundament, der Boden
der allermodernsten Lehrmethoden,
Ihr steckt noch im alten Schlendrian.

Schüler
Ich bitte euch, nehmt euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Mut,
Leidlichem Geld und frischem Blut,
Und alle Welt sagt mir von je,
Bei euch, Herr Faust, könnt' ich was lernen,
Denn bis in allerweitste Fernen
Drang euer Künstlerrenommee.

Mephisto
Ihr lobt mich über'n grünen Klee,
Mein bloßer Name lockt euch hier,
Doch sagt, was wißt ihr denn von mir?
Nennt doch ein Werk von mir sogleich!

Schüler
Der FAUST-WALZER ist ja von euch
Und manches andere schöne Stück,
kurzum die ganze Faust-Musik;
Bei einem Manne, der das konnte,
Erweitern sich die Horizonte. –
Nur fürchte ich die Gegenwart
Von einem Meister solcher Art
Wird mich verschüchtern und bedrücken,
Ich fürchte sehr, mir wird nichts glücken,
Und der Respekt wird auf mir lasten,
Wenn ich berühre diese Tasten,
So daß ich gar nicht spielen kann.

Mephisto
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind den Fingersatz
Nicht gleich am Anfang willig an,
Doch bald greift Lust am Studium Platz;
So wird sich auch in meinen Lehren
Bei euch die Sicherheit vermehren.

Schüler
O, euer Zuspruch scheucht mein zages Bangen,
Doch sagt mir nur, werd' ich zum Ziel gelangen?

Mephisto
Erklärt euch erst, bevor ihr weitergeht:
Was wählt ihr für eine Spezialität?

Schüler
Ein Vortragskünstler möcht' ich werden
Und möchte gerne, was auf Erden
gedruckt vorhanden ist in Noten,
Durchaus beherrschen mit meinen Pfoten.

Mephisto
Da seid ihr auf der rechten Spur;
Nur immer 'ran an die Klaviatur!
Gewiß, ihr werdet die Kunst schon erfassen,
Doch müßt ihr euch nicht zerstreuen lassen.

Schüler
Ich bin dabei mit Seele und Leib;
Doch freilich würde mir behagen
Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib
An schönen Sommerfeiertagen,
Mit Kommilitonen umherzuspazieren
Und auch ein wenig zu poussieren
Die hübschen talentvollen Schülerinnen.

Mephisto
Gebraucht die Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen;
Mein teurer Freund, ich rat' euch drum:
Zuerst seht euch im Clementi um,
Und zwar in jenem Werk zumeist,
Das "Gradus ad Parnassum" heißt;
Da wird die Hand euch wohl dressiert,
In jeder Lage exerziert,
Daß sie in schulgerechter Art
Die richt'ge Haltung stets bewahrt
Und nicht etwa die Kreuz und Quer
Irrlichteliere hin und her.
Dann lehret man euch manchen Tag,
Das, was euch sonst auf EINEN Schlag,
Wenn ihr's versucht, total mißrät,
Sehr leicht durch ein ARPEGGIO geht.
Zwar ist's mit einem Vortragsstück
Grad' wie in einer Weberfabrik,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt;
Der Tritt, den man zu geben pflegt
Am Pianoforte aufs PEDAL,
Ist auch entscheidend jedes Mal,
Weil es, wenn euch der Tritt mißlingt,
Sofort ganz miserabel klingt.
Der Pädagoge, der tritt herein
Und beweist euch, es müßte so sein,
Und wird euch in specie mit Lehren erfüllen,
Wie JEDER FINGER besonders zu drillen:
Der ERSTE steh' so, der ZWEITE so,
Und drum der DRITTE und VIERTE so,
Und setzt ihr den ersten und zweiten nicht gut,
So geht euch die ganze Passage kaputt.
Das preisen die Schüler aller Orten,
Sind aber keine Weber geworden, –
Womit ich natürlich ganz alleine
Den CARL MARIA VON WEBER meine.

Schüler
Kann euch nicht eben ganz verstehen.

Mephisto
Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn ihr lernt alles korrekt phrasieren,
Den Ton schattieren und nuancieren.

Schüler
Mir wird von alledem so dumm,
Als säße ich schon auf dem Podium.

Mephisto
Nachher vor allen anderen Sachen
Müßt ihr euch an die höhere Technik machen.
Da gilt's die Schwierigkeiten häufen
In knallenden Oktavenläufen,
Die wie Mitrailleusen prasseln;
Da müßt ihr Sexten herunterrasseln,
Daß Hören und Sehen vergeht im Nu
Dem, welcher zuhört, und euch dazu.
Fünf Stunden habt ihr jeden Tag,
Seid drinnen mit dem Glockenschlag,
Habt euch vorher wohl präpariert,
Das Pensum tüchtig einstudiert,
Damit ihr bald von dannen geht
Als Virtuos, wie er im Buche steht.

Schüler
Gewiß, das tu' ich mit Vergnügen,
Ich denke mir, wie viel es nützt:
Denn was Max SCHWARZ und Josef WEISS besitzt,
Das will auch ich in die Finger kriegen.

Mephisto
Doch wählt mir eine Spezialität.

Schüler
Zum Fugenspiel kann ich mich nicht bequemen.

Mephisto
Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen.
Ich weiß, wie es mit diesen Fugen steht:
Die Themen schieben sich kanonisch
Wie ein ewige Krankheit fort,
Sie schleppen sich beständig polyphonisch,
Der Kontrapunkt herrscht hier als Sport;
Es gibt allda zu jeder Frist
Ein ewiges motivisches Gepinke,
Die RECHTE, die mit uns geboren ist,
kopiert fast immer nur die LINKE.

Schüler
Ja, ja, ich wähl' ein ander Ziel.
Jedoch ich möcht' euch noch befragen:
Wollt' ihr mir vom Vierhändig-Spiel
Nicht auch ein kräftig Wörtlein sagen?
Ich spiele nämlich gern vom Blatt
Sowohl mit Herrn als auch mit Damen.

Mephisto
Ich bin des sanften Tons nun satt,
Nun denn mal derb in Teufels Namen!
Der Geist des Quatremains ist leicht zu fassen,
Courage lautet da das Losungswort:
Ihr müßt euch auf den ANDERN stets verlassen,
Bleibt ihr auch stecken – der spielt fort!
Ihr tut, als wär' das selbstverständlich,
Blickt in die Noten immerzu,
Und kommt dann die Fermate endlich,
Trefft ihr den Partner dort im Rendezvous.
Besonders lernt die Weiber führen,
Ist erst zum Zweck ein Flügel da;
Man kommt beim Quatremains-Studieren
Der Dame oft erfreulich nah;
Versteht euch recht heranzudrücken
Und fasset sie mit feurig schlauen Blicken
Wohl um die Taille elegant,
Um zu erreichen den Diskant.

Schüler
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und wie.

Mephisto
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün, mein junger Herr, sind Sie!

Schüler
Ach, schrecklich grün, ich glaub' es selber fast.
Und außerdem bedrückt mich noch der Kummer
Sowohl bei Tage, wie auch nachts im Schlummer,
Ob meine HAND zur Kunst auch wirklich paßt.

Mephisto
Das wollen wir ermitteln auf der Stelle.
Ich habe hier zur Hand für solche Fälle
Das allerneueste Röntgen-Instrument,
Das zeigt den Knochenbau uns evident.
Hier legt die Hand auf, wie ihr geht und steht,
Ich laß' derweil die Elektrizität
Im innern Raum des Apparates spielen,
Damit wir einen X-Strahl flugs erzielen,
Und mit der Linse, die dadrinnen steckt,
Vergrößre ich zugleich euch das Objekt.
PROBATUM EST, ich sage eins, zwei, drei –
Nun blicket her: hier ist das Konterfei!

(Er zeigt das Portrait der Knochenhand.)

Schüler
O Gott, entsetzlich, und so furchtbar groß!

Mephisto
Ich find' sie als Klavierhand ganz famos.
Die Spannung schon erspart euch alle Müh',
Und Stücke wie die Don-Juan-Fantasie,
Die sonst der Schwierigkeit nicht ganz entbehren,
Zwingt ihr, als wenn's die "Klosterglocken" wären.

Schüler
Vielleicht 'mal später, aber noch nicht heut'.
Die Kraft ist schwach, und ach, die Kunst ist weit;
Ihr werdet es erfahren, wenn ich spiele,
Wie weit entfernt ich noch von solchem Ziele.

Mephisto
Das wüßt' ich gerne im Moment schon:
Wohlan, beginnen wir die Lektion.
Zeigt, was ihr könnt!

Schüler
                    Ein einzig Stückchen nur
Kann ich euch zeigen auf der Tastatur,
Denn alle anderen verschwitzt' ich schon.

Mephisto
Wie heißt das Stück?

Schüler
                    Es ist die "HOLZAUKTION",
Die Grunewalder Hymne sozusagen,
Nichts anderes wüßt' ich euch vorzutragen.

Mephisto
Nur nicht geniert, ich will dem Vortrag lauschen,
Spielt mir sofort das Grune-Waldesrauschen!


Notenquetscher spielt in unbeholfener Weise das Thema:



I. Thema


Mephisto
Nun spielt dasselbe Stück mir noch einmal,
Doch wohl verstanden: transkribiert total,
Als ob der CZERNY der Verfasser wäre!

Schüler
Das kann ich nicht, bei meiner Schülerehre!
Wie soll ich das?

Mephisto
                    Das läßt sich leicht erreichen;
Ihr wißt, ich bin ein Magier ohnegleichen,
Gebt her die Hand, ich werde sie bestreichen
Und sie mit einem Zauberspruch beschwingen,
Dann wird euch alles, was ihr wollt, gelingen.

(Er ergreift die Hand.)
Hokus, Pokus, eins, zwei, drei,
Alles sei dir einerlei,
Meistre die Klaviatur,
Habe Technik und Bravour,
Vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn,
Spiele jetzt, – es wird schon gehn!

Schüler
Mir ist, als wär' ich in Hypnose,
Schon werden die Gelenke lose;
Sagt mir nun nochmals, was ich spiel':

Mephisto
Die "Holzauktion" im Czerny-Stil!


Vortrag des zweiten Stücks:



II. Czerny


Mephisto
Das ging schon besser relativ;
Nun bringt dasselbe Holzmotiv
Mit einer anderen Passagenkette,
Als wenn CLEMENTI sie geschrieben hätte.


Vortrag des dritten Stücks:



III. Clementi


Mephisto
So lob' ich mir die "Holzauktion".

Schüler
Wie dank' ich euch für die Lektion!
Ja früher war mein Können ärmlich,
Doch jetzt, o Meister, spür' ich förmlich,
Wie sich beflügeln meine Finger;
Noch heut' werd' ich ein echter Musenjünger
Und würdig eines solchen Instrumentes.

Mephisto
Der Wille leistet Eminentes,
Wenn ihr nur wollt, o glaubt, ihr könnt es!
Die Kunst vertieft sich mehr und mehr!
Ihr spielt die Klassik wie d'ALBERT
Und dürft es zweifellos riskieren,
SEBASTIAN BACH zu produzieren.

Schüler
Im Grunewald das Bach-Geplätscher,
Gespielt von Anton Notenquetscher!


Vortrag des vierten Stücks:



IV. Bach


Mephisto
Ihr seid jetzt ein perfekter Bach-Mann,
Und gar nicht weit entfernt von PACHMANN;
So steigt ihr auf der Fortschrittsleiter
Nur weiter, Freund, nur immer weiter;
Das Repertoire müßt ihr vermehren:
JOHANNES BRAHMS will ich jetzt hören.

Schüler
Ach, den Johannes spiel' ich gern,
und umso lieber, insofern
Dies Instrument, das mich zu Kunst entflammt,
Aus der JOHANNIS-Straße stammt.


Vortrag des fünften Stücks:



V. Brahms


Mephisto
Das hätte HANSLICK hören müssen!
Der hätt' euch wahrlich nicht verrissen;
Nun spielet mal, verehrter Streber,
Ein recht graziöses Stück von WEBER.


Vortrag des sechsten Stücks:



VI. Weber


Schüler
War es so recht?

Mephisto
                    ME HERCULE!
Ihr habt bereits das JEU PERLÉ,
Wie SAINT-SAËNS und FRANCIS PLANTÉ;
Euch aufzuhalten wär' pedantisch,
Schnell absolviert was Neuromantisch!
Spielt gleich ein Stück in CHOPINs Weise!

Schüler
Chopin! Mir Leib- und Magenspeise!
Zwar meinte jüngst ein Meister der Methodik,
Der Chopin müßte wälzen sich im Grabe,
Weil ich von Chopinscher Melodik
Auch nicht die schwächste Ahnung habe.

Mephisto
Das ändert sich bestimmt ab dato,
Spielt ihn nur weidlich im Rubato!


Vortrag des siebenten Stücks:



VII. Chopin


Mephisto
Was wollt ihr mehr? Vor zehn Minuten Schüler,
Und jetzt perfekter Chopin-Spieler!

Schüler
Das, Meister, hör' ich mit Behagen!
Es sei mir gute Vorbedeutung,
Mich ohne weitere Vorbereitung
An ANTON RUBINSTEIN zu wagen.

Mephisto
Nur zu, verehrter Musensohn,
Wag' diese Kombination,
Zwei Edelsteine im Verein:
Ein Bechstein und ein Rubinstein!


Vortrag des achten Stücks:



VIII. Rubinstein


Mephisto
Den Rubinstein habt, wie mir scheint,
Ihr fast noch überrubinsteint;
Nun fragt es sich, ob ihr am Instrument
FRANZ LISZT noch überlisten könnt.

Schüler
Vor Liszt bangt mir doch ganz gewaltig;
Liszts Technik ist so vielgestaltig,
Die Schwierigkeit so mannigfaltig
Und stellenweise so rabiat,
Daß ich mich fürchte in der Tat.

Mephisto
Hast du schon wieder Angst, mein Lieber?
Verscheuche flugs dein Lampenfieber,
Die Zauberformel stärkt dich noch,
Du denkst, es geht nicht – es geht doch!
Die Finger rechts und links verrenke,
Verzehnfache die Handgelenke
Und pauke los mit deinen Tatzen,
Daß dir die Trommelfelle platzen;
Den Flügel wird du nicht zerspalten –
Der hat schon anderes ausgehalten!
Sahst du auch Liszt im Leben nie,
Wird man nach dieser Rhapsodie
Wie schon bei manchen andern Spielern
Die übliche Reklame lesen:
Du seist von Lisztens Lieblingsschülern
der allerlieblingste gewesen!

Schüler
Das hör' ich mit vergnügter Miene;
Ihr wißt mich gut zu inspirieren,
Ihr gebt mir ein Gefühl zu spüren,
Als wär' ich eine Dampfmaschine,
Die überheizt zum Explodieren.
Und wie das Übermenschentum
Die Zukunft hat im Menschenlose,
So strebe ich nach höchstem Ruhm
Als kühner Übervirtuose!


Vortrag des neunten Stücks:



IX. Liszt


Mephisto
Bravissimo! Das lob' ich mir,
Ihr spielt das wie ein Drehklavier,
So fertig, so nuancenreich;
Mit dieser Leistung, sag' ich euch,
Könnt ihr vor aller Welt besteh'n!

Schüler
Ich kann unmöglich wieder geh'n,
Ich muß euch noch mein Stammbuch überreichen;
Gönn' eure Gunst mir dieses Zeichen.

Mephisto
Gebt es nur her, ich werde schreiben,
Und im Gedächtnis soll's euch bleiben.

Schüler
(liest)
"Was auch die Spötter allerwegen
Zu euren Künsten sagen mögen,
Instrumental bleibt für und für
Das allerschönste, das Klavier;
Und jener Stein, den man vergebens
Gesucht hat in Adeptenkreisen,
Er sei der Inhalt eures Lebens:
Der Bechstein ist der Stein der Weisen!"

Ja das ist wahr! Zu weitrem Dank
Bin ich ein andermal erbötig;
Ich stürm' ins Leben frei und frank,
Denn Stunden hab' ich nicht mehr nötig.

Mephisto
Das wollt' Mephisto selbst betonen,
Der euern Spieltrieb neu geweckt hat;
Spielt stets die Variationen,
Denn: VARIATIO – DELECTAT!